Das Expertenforum
Betablockertherapie
Sehr geehrtes Expertenteam,
ich wende mich mit 3 Fragen bzgl. Betablockern an Sie.
Ich (männlich, 35, NR, regelmäßig Sport, BMI 21 bis 22) nehme seit nahezu 10 Jahren Bisoprolol 5 mg um meinen instabilen Blutdruck zu kontrollieren. Damit war der Blutdruck (sehr) gut eingestellt, auch wenn der Puls niedrig war (im Mittel 50 bis 55; manchmal, vor allem abends, dann auch um die 40).
Vor einigen Monaten hatte ich dann eine Phase, wo der Blutdruck plötzlich sehr niedrig war (bis zu 105/50), ich mich schlapp gefühlt habe und ich gelegentlich Atemnot hatte (es gab keinen organischen Befund dazu), so dass ich dann (nach einigen Versuchen mit der Dosierung von Bisoprolol) auf Nebivolol 5mg umgestellt wurde. Ob die Atemnot tatsächlich mit Bisoprolol zu tun hatte, ist natürlich nicht klar und wird von meiner Ärztin für unwahrscheinlich gehalten, da ich das Medikament ja sehr lange gut vertragen habe.
Unter Nebivolol habe ich nun einen deutlich höheren Puls (65 bis 75 im Mittel; nicht unter 55), habe subjektiv häufig das Gefühl von Herzrasen, ich habe 3kg abgenommen, und der Blutdruck ist leicht erhöht, zumindest deutlich höher als unter Bisoprolol (unter Nebivolol ca. 135/75 in der Selbstmessung; bei Bisoprolol ca. 125/75 in der Selbstmessung vor der Phase mit niedrigem Blutdruck).
Nun zu meinen konkreten Fragen:
<ul>
<li>Halten Sie bei mir als jungem Patienten, der sehr nervös ist (geht so Richtung hyperkinetisches Herz), einen Betablocker für indiziert?</li>
<li>Kann es sein, dass Bisoprolol und Nebivolol bzgl. der Blutdrucksenkung und auch der Herzfrequenz so unterschiedlich wirken? Laut meiner Hausärztin sind die chemischen Wirkmechanismen vergleichbar und sie glaubt das nicht.</li>
<li>Am liebsten würde ich wieder auf Bisoprolol 5mg gehen, da ich damit so lange gute Erfahrungen gemacht habe (auch bzgl. des subjektiven Herzrasens). Sind die niedrige Frequenz (Minimum von 40 im Wachzustand) und die gelegentlich auftretende subjektive Atemnot, abgesehen davon, dass sie lästig ist, medizinisch bedenklich oder wären diese eine Kontraindikation für Bisoprolol?</li>
</ul>
Herzlichen Dank und freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Schmitz,
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe schon einmal geschrieben und habe eine sehr hilfreiche Antwort erhalten, so dass ich Ihnen heute mit einer Nachfolgefrage schreibe.
Hintergrund:
männlich, 35 Jahre alt, Nichtraucher, treibe regelmäßig Sport, BMI 22, kein Diabetes, gute Blutfettwerte (HDL 75, LDL 85, Tri < 50 beim letzten Labor)
<ul>
<li>Herzwand grenzwertig verdickt (11-12mm; seit zehn Jahren stabil)</li>
<li>instabiler Blutdruck (vor allem nervositäts- und persönlichkeitsbedingt) seit zehn Jahren mit Bisoprolol 5 mg gut eingestellt (Bradykardie unter Bisoprolol; im Mittel tagsüber 50 bis 55; BD: im Mittel 125/75)</li>
<li>vor ca. sechs Monaten gab es mehrere Episoden mit sehr niedrigem Blutdruck (bis zu 105/50), Schwindel und Atemnot (Genese unklar; eventuell durch Bisoprolol-bedingte zu starke Absenkung der Frequenz und des Blutdrucks; kein Asthma; keine organischen Auffälligkeiten laut Pneumologe, Kardiologe und HNO-Arzt, welche die Symptome erklären könnten)</li>
<li>danach Versuche mit niedrigerer Bisoprolol-Dosis sowie anderen Blutdrucksenkern, auch Nebivolol 5 mg; Ergebnis in allen Szenarien: Puls höher, subjektives Herzrasen, Blutdruck wieder grenzwertig erhöht (in jedem Fall deutlich höher als unter Bisoprolol 5 mg).</li>
</ul>
Nun seit zwei Wochen wieder ein Versuch mit Bisoprolol 5 mg, da dies (subjektiv und von der objektiven Blutdrucksenkung) am besten bzw. als Einziges zu wirken scheint.
Ergebnis: Blutdruck besser bzw. gut, aber Frequenz runter auf 50, manchmal früh morgens oder abends 40 bis 45; nachts bis runter auf 35. Manchmal (leichte) Atemnot und Schwindel.
Mein Hausarzt sagt nun: Kein Bisoprolol; Frequenz viel zu niedrig, fast schon im Schrittmacherbereich, aber eben Medikamenteninduziert. Bedenklich wäre der niedrige Puls; Gefahr für Herztod. Mein Kardiologe sagt: Niedriger Puls kann lästig sein, aber nicht gefährlich. Dürfte sogar mal auf 30 runtergehen. EKG, Belastungs-EKG, Echo sind normal, außer eben der Bisoprolol-induzierten Bradykardie (komme selbst bei 300 Watt nicht auf meine Zielfrequenz im Belastungs-EKG) und der grenzwertigen Herzwanddicke. Wenn ich mich mit Bisoprolol 5 mg gut fühle, kann ich ruhig weitermachen.
Ich bin mir nun sehr unsicher, was ich machen soll, denn einerseits möchte ich einen gut eingestellten Blutdruck haben (keine Lust auf Spätfolgen in zehn Jahren), andererseits möchte ich auch nicht, dass die Frequenz so stark runtergeht, dass es gefährlich wird. Für mich persönlich würde ich lieber etwas Schwindel und Atemnot unter Bisoprolol in Kauf nehmen, aber natürlich nur, wenn es medizinisch unbedenklich ist und die unterschiedlichen Einschätzungen verunsichern mich.
Ich weiß, wie schwer eine solche Ferneinschätzung ist, aber vielleicht könnten Sie mir eine Einschätzung geben bzw. haben Sie noch eine Idee, was ich machen könnte?
Herzlichen Dank und freundliche Grüße
Sehr geehrter Nutzer des Forums,
prinzipiell sehe ich das ähnlich wie Ihr Kardiologe: eine langsame Herzfrequenz ist für Ihr Herz nicht schädlich, solange eine kardiale Grunderkrankung ausgeschlossen ist und Sie hierunter nicht symptomatisch sind. Zudem ist es aus meiner Sicht normal, wenn Sie unter Betablockern Ihre "Zielfrequenzen" bei Belastung nicht erreichen, denn diese sind für Menschen ohne frequenzsenkende Medikation definiert.
Vielleicht gibt es ja auch die Möglichkeit, das Bisoprolol etwas geringer zu dosieren und gegebenenfalls mit einem anderen Bluthochdruckmedikament (ACE-Hemmer, AT1-Antagonist oder Calciumantagonist) zu kombinieren. Besprechen sie das doch einmal mit Ihrem behandelnden Arzt.
Viele Grüße
Karl-Friedrich schmitz
Sehr geehrter Nutzer unseres Forums,
zunächst vielen Dank für Ihre Frage. Die Substanzen Nebivolol und Bisoprolol gehören zur gleichen Behandlungsgruppe der sogenannten „selektiven“ Betablocker und sind prinzipiell zur Behandlung des Hypertonus geeignet und zugelassen. Die Substanzen sind sich in Ihrer Wirkungsweise sehr ähnlich und doch gibt es bei der individuellen Therapie durchaus Unterschiede in Wirkungsstärke und manchmal auch in Nebenwirkungen. Auch ich beobachte in meiner Praxis häufiger, dass Bisoprolol stärker frequenzsenkend wirkt als Nebivolol und dieser Effekt ist, so wie ich Ihre klinischen Angaben verstanden habe, bei Ihnen auch erwünscht. Die von Ihnen gemessenen Herzfrequenzen erscheinen mir zunächst einmal nicht kritisch, Ausdauersportler haben sogar ohne Medikamente teilweise noch niedrigere Herzfrequenzen in Ruhe.
Ich könnte mir daher durchaus vorstellen, dass Sie in Absprache mit Ihrer Ärztin die Therapie wieder auf das bisher gut vertragene Bisoprolol umstellen. Unter der geänderten Therapie würde ich dann weitere Blutdruckkontrollen, ggf. auch mit einer Langzeit-Blutdruckmessung anraten und evtl. vorsichtshalber wegen der Neigung zu niedrigen Herzfrequenzen auch ein Langzeit-EKG empfehlen.
Viele Grüße
Karl-Friedrich Schmitz