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Leitlinien medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz

Autor
Datum
Medi
18.02.2023, 09:16 Uhr

Ich habe eine Frage zu maßgeblichen Leitlinien bei Herzinsuffizienz und hierbei insbes. zur medikamentösen Therapie (HFrEF), z.B. nach einem Herzinfarkt. Es gibt ja die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL), die europäische Leitlinie (ESC) und die Leitlinie der DGK zumindest für den hiesigen Raum. Nach der NVL für medikamentöse Therapie (HfrEF) wäre bei mir (NYHA I), keine Symptomatik zu keinem Zeitpunkt, ein ACE-Hemmer oder ARB, sowie Betablocker vorgesehen. Ich bekomme aber die volle Breitseite (Valsaratan, Bisoprolol, Eplerenon, Atorvastatin, ASS, Forxiga). Eplerenon ist lt. NVL erst ab NYHA II vorgesehen und SGLT-Inhibitoren nur bei fortschreitender Symptomatik, ebenfalls ab NYHA II. Ich hatte direkt nach dem Herzinfarkt eine Pumpleistung von ca. 30 %, die jetzt seit geraumer Zeit stabil bei ca. 45 % liegt. Die Kardiologen richten sich nicht nach der NVL, sondern nach den Leitlinien der DGK, in die, die Leitlinie der ESC einfließt. Bei einer Beurteilung einer pharmazeutischen Einflussnahme bei der ESC stellte „Leitlinienwatch“ Mitte 2016 fest, dass 18 von 21 Autoren der Leitliniengruppe finanzielle Interessenkonflikte angaben. Jetzt möchte ich natürlich nicht Eplerenon oder Forxiga einnehmen, nur weil finanzielle Interessen verfolgt werden, zumal Langzeiterfahrungen z.B. von Forxiga für Patienten ohne Diabetes hinsichtlich von Nebenwirkungen überhaupt nicht vorliegen und die Beurteilung insgesamt nur auf zwei Studien beruht, eine wissenschaftliche Evidenz also fehlt.

Dr. med. Heribert Brück
18.02.2023, 17:31 Uhr

Sehr geehrte/r Medi,

zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass durch die leitliniengerechte Behandlung Ihrer Herzinsuffizienz eine deutliche Befundbesserung erzielt wurde, so dass Sie jetzt glücklicherweise nur noch wenige Beschwerden haben. Das ist für sich genommen schon einmal ein großer Erfolg. Damit einher geht aber auch - und das ist subjektiv für Sie nicht fassbar - eine sogenannte Prognoseverbesserung. Man darf nämlich nicht unterschätzen, dass die Herzinsuffizienz in dieser Ausprägung eine Erkrankung ist, die häufiger zum Tode führt als die meisten Krebserkrankungen.
Nun werden wir in der kardiologischen Praxis immer wieder gefragt, kann man denn jetzt nicht Medikamente absetzen. Und tatsächlich gab es eine Phase, wo man das gemacht hat. Man wollte den Patienten damit etwas Gutes tun. Leider kam es in nicht wenigen Fällen wieder zu einer Verschlechterung der Befunde; und es gab keine Kriterien, die das hätten vorhersagen können. Fast noch schlimmer jedoch ist, dass bei einem erneuten Einsetzen der Behandlung die zunächst erlangten Erfolge nicht mehr erreicht werden konnten. Deshalb raten wir heute nicht mehr zum Absetzen.

Das andere von Ihnen angesprochene Thema, dass viele Autoren von Leitlinien Interessenkonflikte angegeben haben, muss man differenziert sehen. Es ist zunächst einmal naheliegend, dass herausragende Kardiologen von den Pharmafirmen als Berater gefragt werden und es ist gut, dass dies offengelegt werden muss. Daraus kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass diese Kardiologen Pharmainteressen verfolgen würden. Das gibt es sicherlich auch, aber das spricht sich in der Szene auch schnell herum und diskreditiert diese Leute in der Community.
Außerdem dürfen Sie davon ausgehen, dass wir Kardiologinnen und Kardiologen in der Praxis und in der Klinik uns nicht blind auf die Leitlinien achten, sondern sehr gut wissen, wie die zugrunde liegenden Studien zu beurteilen sind.

Sie müssen also für sich entscheiden, ob Sie den erreichten Erfolg aufs Spiel setzen wollen - meine Patienten entscheiden sich in diesen Fällen in der Regel für die Fortführung der Behandlung.

Herzliche Grüße
Dr. Heribert Brück

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