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Medikamente nach Infarkt
Ich habe mit 55 Jahren einen Hinterwandinfarkt erlitten und im Rahmen der Behandlung 3 Stents erhalten. Zwei weitere Stenosen 30 und 50 % liegen noch vor. Ich nehme jetzt nach einem Jahr noch ASS 100, Bisoprolol 2,5 mg, Candecor 2 mg und Rosuvastatin
40 mg am Tag ein. Zusätzlich nehme ich noch Schilddrüsenhormone 150 µg ein.
Ich fühle mich insgesamt sehr müde und ohne Antrieb. An den meisten Tagen komme ich ohne einen Mittagsschlaf nicht aus, danach bin ich richtig schlapp. Nach Sport bin ich mehrere Tage kraftlos und nur noch in der Lage die wichtigsten Dinge zu erledigen. Ich bin schlank, rauche nicht, ernähre mich gesund und achte auf ausreichend Bewegung. Mein Blutdruck liegt durchgehend unter den eingenommenen Medikamenten bei 118/70, Puls 50 bis 60.
Meine Frage:
Kann ich guten Gewissens die Blutdrucksenker (Bisoprolol, Candecor) weglassen, in der Hoffnung wieder leistungsfähiger zu sein oder muss ich damit rechnen, dass meine Einschränkungen (Müdigkeit, Antriebslosigkeit) durch den Infarkt bedingt sind. Meine Herzleistung liegt derzeit bei ca. 45 % (StressMRT-Wert).
Viele Grüße
Andreas
Hallo Anni 1606/ Andreas,
danke für Ihre Anfrage.
Um zunächst einem Missverständnis vorzubeugen: die "Herzleistung liege bei 45%", das bezieht sich wahrscheinlich auf die Ejektionsfraktion von 45%. Dieser Begriff führt regelmäßig zu Missverständnissen, denn die normale Ejektionsfraktion liegt bei 55+% (und nicht wie man annehmen könnte bei 100%), was die Aussage wesentlich weniger dramatisch macht. Maximale Werte liegen bei gut 75%, aber 100% ist gar nicht erreichbar.
Wenn Sie über allgemeine Kraftlosigkeit und Müdigkeit klagen, dürfte das weder an den Tabletten liegen noch an der Einschränkung Ihres Herzmuskels durch den stattgehabten Herzinfarkt; dann wäre Luftnot bei Belastung oder eventuell allgemeine Erschöpfung für kurze Zeit direkt im Zusammenhang mit der Belastung führend.
Blutdruck und Puls sind offenbar optimal eingestellt und sollten ebenfalls zu keinen Beschwerden führen.
Die verbleibenden nicht signifikanten Stenosen sind ebenfalls nicht für irgendwelche Beschwerden verantwortlich.
Guten Gewissens können Sie die Medikamente sicherlich nicht weglassen, und es würde nach meiner Einschätzung auch nicht zu einer Besserung Ihres Befindens führen.
Ich rate Ihnen zu einem Gespräch mit Ihrem Hausarzt bzw. Ihrem Kardiologen. Für mich klingen Ihre Beschwerden am ehesten nach einer im weiteren Sinne depressiven Symptomatik, einem Erschöpfungssyndrom oder einem Burnout.
Ich wünsche Ihnen eine baldige gute Besserung!
Viele Grüße
Dr. Peter Zündorf, Hannover